Immobilien - Papierfabrik

Geschichte der Papierfabik Klein-Neusiedl

Im 18. Jahrhundert konnte die Nachfrage nach Papier innerhalb des Erzherzogtums Österreich nicht gedeckt werden. Daher war es den am 27. Februar 1760 in Friedberg in der Steiermark geborenen Adeligen Ignaz Theodor Pachner möglich gegen den Widerstand anderer Papiermühlen um Wien am 1. Februar 1793 die Konzession zur Errichtung einer Papierfabrik zu erlangen. Standort der neuen Papierfabrik wurde Klein-Neusiedl, das einerseits günstige Wasserverhältnisse am Fischa-Fluss sowie andererseits eine Nähe zum Hauptabsatzmarkt Wien aufwies. Außerdem konnte der Grundstoff günstig aus dem nahen Ungarn bezogen werden - Papier wurde aus Stoff/Hadern hergestellt.

Das dreigeschoßige Hauptgebäude, das heute noch existierende sogenannte Barockgebäude, mit einer Länge von 62,5 m, einer Breite von 14,5 m und einer Gesamthöhe von 25 m wurde von rund 350 Arbeitern errichtet. Darin waren im Erdgeschoß die Stampfe für die Zerfaserung der Hadern und die für die Glättung notwendigen, von Wasserrädern angetriebenen Walzwerke untergebracht. In den Obergeschoßen befanden sich Betriebsräume zur Verpackung und Sortierung der Ware. In den Dachmansarden befanden sich Trockenräume für die geschöpften Papiere, mit deren Produktion bereits 1795 vor der Fertigstellung der Fabriksanlagen begonnen worden war.

1796 schloss Pachner eine Vereinbarung mit der k.k. Banco-Zettel-Hauptkasse über die Lieferung von Spezialpapier für die damaligen Banknoten. Zu dieser Zeit wurde rund ein Drittel der in Niederösterreich erzeugten Papiermenge in Klein-Neusiedl produziert.

Am 14. März 1814 verstarb der Eigentümer an einem Schlaganfall und der Betrieb, welcher rund 200 Mitarbeiter beschäftigte, ging auf seine Witwe Maria Anna und den ältesten Sohn Anton Iganz Joseph über. Diese verkauften die Papierfabrik an eine Personengruppe um Georg Borckenstein - unter anderem Industrielle aus der Schweiz.

Der Betrieb wurde danach in die k. k. priv. Actiengesellschaft der Papierfabrik Klein-Neusiedl umwandelt. Die neuen Eigentümer brachten die Produktion auf den neuesten Stand der Technik und die Papierfabrik wuchs um zahlreiche Gebäude. Die bisherige Produktion ausschließlich aus Wasserkraft wurde um Dampfmaschinen erweitert und konnte dadurch konsequent gesteigert werden. 1841 wurde eine dritte Papiermaschine in Betrieb genommen, wobei die Herstellung handgeschöpfter Papiere erst 1898 gänzlich eingestellt wurde. Ein Großbrand 1860 zerstörte zahlreiche Gebäude, welche aber wieder aufgebaut wurden.

1870 fand eine weitere Umwandlung des Unternehmens in die Neusiedler Aktiengesellschaft für Papierfabrikation statt. Am Standort Klein-Neusiedl wurden neue Wasserturbinen eingebaut und der Betrieb insgesamt um den Ankauf der Volk’schen Mühlen in Wienerherberg 1872/73 erweitert. Weitere Mühlen und Produktionsstandorte wurden in den Folgejahren angekauft.

Die Anbindung des Standortes in Klein-Neusiedl an die Lokalbahn in den 1870er Jahren erleichterte den internationalen Vertrieb. 1896 erfolgte schließlich die Aufstellung einer 1.000 PS Dampfmaschine – in den Gebäuden wurde elektrisches Licht eingeleitet. Weiters wurde eine vierte Papiermaschine in Betrieb genommen. Die Produktion des Unternehmens in allen Standorten wurde so von 1877 bis 1901 insgesamt verfünffacht.

1913 wurde die Ortsbeleuchtung der Gemeinde Klein-Neusiedl sowie einige Gebäude in das elektrische Netz der Papierfabrik eingebunden.

Während des 1. Weltkrieges kam es in der Papierfabrik Klein-Neusiedl zu Produktionsrückgängen, obwohl viele Arbeiter von der Einrückung zum Militär enthoben waren, da verschiedenen Lieferungen an Spezialpapier für das Ärar, u.a. die Staatsdruckerei und das Militärgeographische Institut, durchgeführt werden mussten. Im Oktober 1918 wurde die Produktion vorübergehend vollständig eingestellt.

Der größte Arbeitgeber im Ort blieb auch nach dem Ende der Monarchie das Werk Klein-Neusiedl der Neusiedler AG für Papierfabrikation. Der Zerfall des großen Reiches brachte auch für den Konzern, der in den verschiedensten Kronländern Niederlassungen besessen hatte, große Probleme mit sich. Die Organisation, die auf einen großen einheitlichen Wirtschaftsraum eingestellt war, musste den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die in den Nachfolgestaaten Tschechoslowakei, Rumänien und Ungarn gelegenen Fabriken gingen in neu geschaffene Gesellschaften, an denen die österreichische Mutterfirma die Aktienmehrheit besaß, auf. Auch nach dem 1. Weltkrieg war die Unternehmensleitung bestrebt, durch entsprechende Konzernerweiterungen in Österreich das Risiko des Ausfalles der nun in ausländischen Staaten gelegenen Rohstofflieferungen zu verkleinern. Es wurden teilweise österreichische Lieferanten angekauft.

Nach einem vorübergehenden Aufschwung in den Jahren 1926 bis 1929 rief die von einem Kurssturz an der New Yorker Börse ausgelöste Konjunkturwende auch beim Papierkonzern große wirtschaftliche Schwierigkeiten hervor. In dieser Zeit der Weltwirtschaftskrise begann die Unternehmensleitung tiefgreifende Umgestaltungen der Konzernstruktur vorzunehmen. Das Hadernhalbstoffwerk Wienerherberg wurde 1928 aufgelassen und 1934 an die Firma Ludwig Polsterer aus Enzersdorf verkauft. In der Zeit von Oktober bis Dezember 1935 wurde die elektrische Hochspannungsverbindung zwischen dem Wasserkraftwerk in Wienerherberg und der Weizenmühle in Enzersdorf an der Fischa hergestellt.

Weitere Entscheidungen der Konzernleitung hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Gemeinde Klein-Neusiedl. Im Zuge einer teilweisen Stilllegung des Werkes wurde am 26. Juli 1930 die Belegschaft um etwa halbiert und etwa 200 Arbeiter abgebaut. Der Mangel an Aufträgen erzwang 1931 die Abstellung der großen Papiermaschine. Schließlich wurde mit Beginn des Kalenderjahres 1932 die Papiererzeugung in Klein-Neusiedl, von wo der Konzern seinen Ausgang genommen hatte, endgültig eingestellt. Die Maschinen sowie die Rohstoffe und Fertigprodukte wurden abtransportiert. Die Fabriks- und Wohngebäude sowie Arbeiterwohnhäuser erwarb im Juni 1938 ebenfalls die Firma Ludwig Polsterer.

Bereits vorher pachtete die Firma Ludwig Polsterer alle elektrischen Anlagen im Eigentum der Neusiedler AG für Papierfabrikation in Klein-Neusiedl und erwirkte im Juni 1934 die Stromlieferungsbewilligung für Klein-Neusiedl vom Amt der NÖ Landesregierung.

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